· 

Statusverhalten in flachen Hierarchien

 

Die berufliche Welt ist im Wandel und strebt in den meisten Unternehmen eine Kultur an, die geprägt ist von weniger Hierarchie und Statusdenken. Start Ups und Fintechs sind Vorbilder und auch so manch großes Unternehmen hat den Weg in die agile, und damit vermeintlich hierarchie- und statusfreie Kultur geschafft.

 

Wenn wir genauer hinsehen, stellen wir fest, dass dies auf den ersten Blick so scheint und manchmal auch so ist. Auf den zweiten Blick machen sich gerade in Unternehmen, die bisher traditionell und damit hierarchisch geführt wurden, paradoxe Phänomene bemerkbar.

Für Führungskräfte und Unternehmensverantwortliche ist das Wissen darum essentiell für den Erfolg in der Veränderung und / oder Transformation, gerade wenn Hierarchien abgeschafft werden.

 

Immer wenn zwei oder mehr Personen miteinander interagieren, werden soziales Gewicht, Macht und Einfluss verteilt. Wer hat in der aktuellen Situation mehr zu sagen, wer setzt sich durch und wem wird etwas zugeteilt?

Wer fühlt sich unterlegen und muss Gleichgewicht wiederherstellen?

Wer ist ehr aktiv oder passiv? Wer setzt Akzente und wer fühlt sich bevormundet?

All dies geschieht jederzeit, merklich oder unmerklich in jeder Interaktion. Unser Statusverhalten - visualisiert durch eine Waage - würde diese ständig in Bewegung zeigen.

Dominanz und Unterordnung geschehen oft subtil und sind den Beteiligten nicht immer bewusst. Im beruflichen Kontext, in der Familie, beim Einkaufen, in der Verhandlung und in der Paarbeziehung kommen dominantes und sich unterordnendes Verhalten regelmäßig vor.

Die meisten Menschen haben ein sehr feines Gespür für Dominanz- und Unterordnungssignale entwickelt. Meist reagieren wir automatisch und reflexhaft auf Statusaktionen: 

  • bei aus unserer Sicht unangemessener Kritik wollen wir unseren Selbstwert wiederherstellen
  • bei raumgreifender Körpersprache von Anderen, insbesondere, wenn wir uns unterlegen fühlen
  • bei ungewollten Berührungen z.B. Hand auf die Schulter oder den Oberarm legen
  • durch ein plötzliches Abwenden unseres Gesprächspartners
  • durch vom Gegenüber verweigerten Blickkontakt z.B. in Meetings oder in Gesprächen
  • auf äußere Statussignale wie teure Kleidung oder Accessoires, die bewusst eingesetzt werden

Und wir reagieren entsprechend darauf, je nachdem welchen Status wir uns selber in dieser Situation zurechnen.

Um soziale Interaktionen, insbesondere im beruflichen Kontext zu verstehen, sollte man Status und Statusspiele verstehen und erkennen können.

Status wird normalerweise als gesellschaftliche Stellung oder Stellung im Unternehmen verstanden. 

Statusverhalten ist allerdings unabhängig von der sozialen Position. Statusverhalten zeigt sich im momentanen Tun und im Verhältnis anderen gegenüber.

 

Dabei gibt es unterschiedliche Status-Zustände und Staus-Player:

  • Innen und außen Hochstatus = wirkt sicher, aber nicht besonders sympathisch
  • Innen und außen Tiefstatus = netter Teamplayer, nicht immer durchsetzungsfähig
  • Innen Tiefstatus und außen Hochstatus = wirkt arrogant, kann narzisstische Züge haben
  • Innen Hochstatus und außen Tiefstatus = Charismatiker, gewinnt Menschen

 

Die Status-Zustände sind nicht in jeder Situation gleich und wechseln laufend. In einem Team erkennen wir meist sofort, wer welchen Status inne hat.

Wenn wir dies jetzt auf den Unternehmenskontext beziehen, dann haben in traditionellen Unternehmen bisher klare Hierarchien und mit der Position verbundene Positionsmacht vorgeherrscht. Diese beziehen sich aus der jeweiligen Stellung im Hierarchiegefüge des Unternehmens. Persönliche Autorität ist mit der Position nicht zwangsläufig verbunden. Das kennen wir alle aus der Praxis. Erst wenn die Abteilungsleiterin sich „statusgemäß“ verhält, wird ihr die entsprechende Autorität zugebilligt. Was statusgemäß ist, bestimmen die allgemeinen Erwartungen, die an diese Rolle gestellt werden. 

Gerade beliebte und als kompetent angesehene Führungskräfte beherrschen das Statusspiel: 
sie können beliebig zwischen hohen und niedrigen Statussignalen variieren.

Wenn Führungskräfte ihren Status nicht offensiv ausspielen (müssen) und ihre Mitarbeitenden im Status abwerten, gewinnen sie an Autorität und Beliebtheit.
Führungskräfte, die immer mal wieder dominante und den Anderen abwertende Signale senden (müssen), sind weniger beliebt und die innere Gefolgschaft ist weniger stabil.

Wichtig für Führungskräfte ist es, einen Blick auf ihr Team zu haben: 

z.B. zu erkennen, wenn einzelne Mitarbeitende das Statusspiel nicht beherrschen und gegenüber Anderen dauerhaft im Niedrigstatus bleiben. Denn Mitarbeitende, die selbst geübt Statusspiele einsetzen, erhalten von Anderen – auch ihren Führungskräften – unbewusst automatisch mehr Anerkennung für ihre Leistungen als in Statusspielen Ungeübte. Den Blick für die Teammitglieder im Niedrigstratus zu haben, kann Potentiale freilegen und entwickeln und das Teamgefüge stärker ins Gleichgewicht bringen.

Nun sind traditionelle Unternehmen nicht mehr en vogue und die digitale Transformation verändert klassische Strukturen. Daraus könnte man schließen, dass hierarchisches Verhalten und Statusspiele damit auf dem Rückzug sind.

Genau das ist ein Irrtum.

In flacheren Strukturen nehmen Statusverhalten und Statusspiele zu – das nennt man das Hierarchie – Paradoxon. 

Um zu verstehen, warum dies so ist, müssen wir zunächst einen Blick auf die Vorteile von Hierarchien werfen (die Nachteile haben wir schneller bei der Hand):

  • der Status z.B. eines Bereichsleiters muss nicht ständig neu verhandelt werden, sondern ist quasi Position verliehen und wird von den Untergebenen anerkannt 
  • der Status ist nicht unbedingt an persönliche Eigenschaften gebunden, also auch schwächere Persönlichkeiten können eine hohe Position erreichen
  • Personen sind auf jedem Rang der Hierarchie eher austauschbar und genießen Qualität Rolle meist schnell Akzeptanz
  • Statusspiele werden kaum benötigt, weil der tägliche Status nicht immer neu verhandelt werden mu

Der wesentliche Vorteil von Hierarchie zusammengefasst:

weil Status nicht immer neu verhandelt werden muss, bleiben die dafür nötige Energie und Kosten frei für andere Aktivitäten.

Der wesentliche Nachteil liegt auch auf der Hand:

wer einmal eine bestimmte Position hat, ist schwer davon wegzubringen, auch wenn er sich als unfähig erweist. 

Hierin liegt insofern ein Fehler, den traditionelle Unternehmen in der Transformation hin und wieder machen: sie belassen die TOP-Führungsebene unabhängig von ihrer Eignung in ihren Positionen und sortieren nur darunter neu. Dafür kann es mehrere Gründe geben, die wir hier jetzt nicht beleuchten.

 

Doch wie kommt es nun zum Hierarchie-Paradoxon?

Lösen sich traditionelle Hierarchien auf, dann verflüchtigt sich Macht nicht etwa, sondern wird nur anders verteilt: 

  • Macht, Status und sozialer Einfluss werden nicht mehr durch die Position vergeben, sondern müssen individuell errungen werden. 
  • Sozialer Status wird dynamischer und muss im Alltag gegen die Konkurrenz mehr verteidigt und beschützt werden, d.h. Status muss häufiger durch Status-Spiele abgesichert werden:

 

Je weniger feste Hierarchien vorhanden sind, umso wichtiger wird Statusverhalten. 

Flachere Hierarchien und Statusspiele sind insofern zwei Seiten einer Medaille.

 

Zusammengefasst lässt sich für Führungskräfte folgendes festhalten:

  1. Statusverhalten findet permanent bewusst und unbewusst in Teams und zwischen zwei oder mehr Menschen statt.
  2. Führungskräfte, die sich ihres eigenen Statusverhaltens in unterschiedlichen Situationen bewusst sind und flexibler damit umgehen können, erfreuen sich in der Regel größerer menschlicher Akzeptanz und Beliebtheit.
  3. Statusverhalten nimmt in Unternehmen mit flachen Hierarchien eher zu als ab, insbesondere in der Transformation, da Menschen ihren Status ständig neu verhandeln und absichern müssen.
  4. Der Blick aufs Team lohnt sich: wer spielt regelmäßig Hoch- oder Niedrigstatus und wie kann sich das Team weiterentwickeln, wenn dieses stärker ausbalanciert wird.
  5. Führungskräfte, die dafür ein gutes Gespür haben, können das Thema auch in einer Teamentwicklung moderieren oder vom Teamentwickler moderieren lassen. 

Wer mehr über Statusverhalten erfahren und mehr Flexibilität im eigenen Statusverhalten (Spielen von Niedrig-Status-Verhalten und Hoch-Status-Verhalten) erlangen möchte, kann mich gern ansprechen.  

Kathrin Rehbein.

info@kathrinrehbein.de

Copyright für den Artikel: Kathrin Rehbein - Teilen ja, Kopieren nein.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0