Sender oder Empfänger? Auf die Perspektive kommt es (auch) an!
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Die quadratische Kommunikation nach dem Kommunikationsquadrat des Hamburger Kommunikations-Papstes Professor Schulz von Thun ist immer wieder ein hervorragendes Modell zur Kommunikationsanalyse und zur Selbstreflexion.
Das Kommunikationsquadrat kann man aus zwei Perspektiven betrachten:
- der des Senders (was sage ich wem wie?) und
- der des Empfängers (was höre / filtere / bewerte ich?).
In diesem Beitrag geht es mir um die quadratische Kommunikation aus der Perspektive des Empfängers, also des Hörenden und Sehenden - das Modell auch als 4-Ohren-Modell bezeichnet.
Kommunikation in Teams und in zwischenmenschlichen Beziehungen
Wenn es in Teams um Kommunikation geht, steht oft zunächst das Senden oder Sprechen im Fokus.
"Wie sage ich es adressatengerecht?"
"Wie bringe ich das Thema kurz und knapp auf den Punkt"?
"Was gebe ich implizit oder explizit von mir preis?"
"Was will ich beim Gegenüber erreichen?"
Seltener wird sich mit dem Hören und der Seite des Empfängers beschäftigt.
Nicht selten fragen sich z.B. Führungskräfte
"Ich habe es doch deutlich gesagt. Warum ist das nicht bei allen angekommen"?
"Ich habe doch mit keinem Wort gesagt, dass ich mit ihrer Leistung nicht zufrieden bin..".
usw.
Damit sind wir beim Hören.
Hören Sie in Ihrem Team mal genauer hin und nehmen Sie die Kommunikation innerhalb des Teams aus der Meta-Perspektive wahr. Sie werden schnell feststellen, dass Menschen auf ein und dieselbe Äußerung ganz unterschiedlich reagieren. Bevor wir Mitarbeitende und Kolleg:innen in die Schubladen "Kommunikations-Rambo" oder "Mimose" packen, lassen Sie uns einen Blick darauf werfen, warum das so ist.
Oft stellt die (vermutete) Beziehungsebene die Weichen
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Wir Menschen sind Beziehungswesen. Deshalb ist uns der Zustand der jeweiligen Beziehung zum Gegenüber je nach eigener Persönlichkeit unterschiedlich wichtig.
Ist die Beziehung grundsätzlich intakt und wird von beiden Seiten von Akzeptanz und Wohlwollen getragen, wird eine Aussage oder ein flapsiger Spruch kollegial aufgenommen.
Chefin sagt: "Na, mal wieder auf den letzten Drücker fertig geworden?"
Mitarbeiter weiß, dass seine Chefin ihn schätzt und reagiert "Klar, weißt Du doch, ich laufe erst
in den letzten 5 Minuten auf Hochtouren ".
Ist die Beziehung weniger gut oder gibt es ungeklärte Konflikte und unausgesprochene Themen, wird die Aussage intuitiv "unter das Quadrat gelegt" und insbesondere auf der Beziehungsebene blitzschnell durchleuchtet.
Dann kann auf
dieselbe Äußerung der Chefin auch eine andere Antwort folgen:
"Ich habe zuviel auf dem Tisch. Und nie werde ich dafür geschätzt, wenn ich das auch noch schaffen muss".
Nun reagiert nicht jeder Mensch gleich. Menschen, die innerlich unabhängiger sind und/oder einen sicheren Bindungsstil haben, hören möglicherweise nicht so sehr auf dem Beziehungsohr und hinterfragen die Beziehung weniger. Oder diese ist ihnen schlichtweg egal.
Sie reagieren dann auch anders, da bei ihnen möglicherweise ein anderes der 4 Ohren besonders ausgeprägt ist.
Es kommt natürlich auch darauf an, wie die Botschaft vom Sender verpackt ist, welche der 4 Ebenen er oder sie anspricht, wie die Begleitmusik (Haltung, Mimik, Ton, Schlüsselworte) ist.
Wie etwas ankommt ist jedoch oft auch ein Produkt des Empfängers und kann mit dessen Selbstwertgefühl, "Lieblingsohr" oder seiner Sicht auf die Beziehung zum Gegenüber zusammenhängen.
Ein einfaches Beispiel
Nehmen wir die einfache Aussage.
Morgens 9 Uhr, Thomas geht zur Kaffeemaschine und stellt fest:
"Es ist kein Kaffee mehr da"
Im 4er-Büro sitzen zwei Kollegen und eine Kollegin.
Thomas könnte 4 mögliche Botschaften mit diesem Satz gemeint haben:
1. Die sachliche Informationen: "Es ist kein Kaffee mehr da".
2. Der Appell: "Wir brauchen Kaffee".
3. Die Selbstkundgabe: "Ich bin müde und möchte jetzt so gern eine Tasse Kaffee".
4. Die Beziehungsebene: "Ihr seid zuständig dafür, neuen Kaffee zu besorgen".
Sein Kollege Frank hört vielleicht mit dem Appell-Ohr oder dem Beziehungs-Ohr:
Appell-Ohr: "Los, geht mal Kaffee holen"!
Beziehungs-Ohr: "Du (Frank) bist für das Holen zuständig".
...und reagiert mürrisch: "Lass mich in Ruhe, ich bin nicht dran. Kannst selber gehen".
Die mit Thomas befreundete Kollegin Wiebke hört mit dem
Selbstkundgabe-Ohr "Ich (Thomas) bin so müde und brauche dringend eine Tasse Kaffee"
und reagiert darauf mit Verständnis und Fürsorge:
"Ich frag mal nebenan, ob die noch was haben".
Die Sache mit dem persönlichen Filter
Wir hören Gesagtes also durch einen Filter.
Ursachen für unterschiedliches Hören und sich daraus ergebende kommunikative Missverständnisse können z.B.
- in der Sozialisierung und Erziehung eines Menschen,
- den Regeln und Gewohnheiten in der Familie,
- der Herkunft aus unterschiedlichen Kulturkreisen oder unterschiedlichen Sprachmilieus
zu finden sein. Weibliche und männlich geprägte Kommunikationspräferenzen können ebenfalls eine Ursache für unterschiedliches Hören sein. Männliche Sprachpräferenzen pflegen oft einen eher imperativen, weibliche eher einen beziehungsorientierten Stil. Demzufolge sind bei vielen Männern oft das Sach- oder Appell-Ohr, bei Frauen eher das Selbstkundgabe- oder Beziehungs-Ohr etwas ausgeprägter. Das muss nicht so sein, ist jedoch häufiger wahrnehmbar.
Das Selbstbild des Empfängers spielt in der Regel auch eine Rolle beim Filtern von Botschaften in der Kommunikation. Empfänger mit einem eher negativen Selbstbild und / oder geringerem Selbstwertgefühl verfügen in der Regel über ein ausgeprägtes Beziehungsohr als Filter. So können neutrale oder sachlich gemeinte Aussagen so interpretiert werden, dass sie das (negative) Selbstbild des Empfängers bestätigen. Des Weiteren kann der Empfänger auch ein bestimmtes Bild vom Sender haben (egoistisch, aggressiv, freundlich, zuverlässig, kritisch) und Äußerungen im Rahmen dieser Zuschreibungen hören und bewerten.
Dies kann im Falle eines Feedbackgesprächs zwischen Führungskraft und Mitarbeiter eine Rolle spielen, wie das folgende Beispiel zeigt:
Die Führungskraft schildert eine Beobachtung
"Ich nehme wahr, dass Du seit Wochen häufig später kommst und sehr früh gehst. Dabei nimmst Du in der letzten Zeit Deine Aufgaben nicht vollumfänglich wahr. Ich mache mir Sorgen um Dich. Wie siehst Du das? "
Sofern der Mitarbeiter seiner Führungskraft Negatives zuschreibt, läuft die beschriebene Wahrnehmung durch den Filter des Beziehungsohrs. Der Mitarbeiter begibt sich möglicherweise sofort in eine Verteidigungshaltung
"Ich bin hier jahrelang immer so lange im Büro gewesen, dass ich jetzt auch mal weniger arbeiten kann"
oder in eine Angriffshaltung
"Willst Du mich hier absägen oder was soll das jetzt?".
Beide Antworten lassen vermuten, dass der Mitarbeiter die Frage der Führungskraft mit dem Beziehungsohr hört und die sachliche Aussage und die Selbstkundgabe des Chefs zunächst untergehen. Eine weitere Ursache für die Abwehr des Feedbacks / der Frage kann wiederum darin liegen, dass der Mitarbeiter sein Selbstbild ("Ich bin ok") in jedem Fall aufrechterhalten will.
Das positive und das negative Selbst-/ Bild
Haben wir ein positives Bild von uns selbst und vom Gegenüber, hält die Kommunikation einiges aus und ist belastbar. Haben wir von uns oder vom anderen ein eher negatives Bild, läuft die Kommunikation von vornherein durch einen Filter und es werden möglicherweise Rabattmarken geklebt.
Zurück zum 4-Ohren-Modell: Jeder von uns hat ein oder zwei bevorzugte Ohren, die unbewusst leicht auf Botschaften anspringen. Wir müssen uns diese Ohren wie einen großen Filter vorstellen, durch den das Gesagte blitzschnell auf bestimmte Kriterien geprüft wird, ohne dass uns dies in dem Moment bewusst ist:
Sachohr: Worum geht es ? Was ist Thema? Betrifft mich das Thema?
Appellohr: Was muss ich tun? Was erwartet der andere von mir?
Beziehungsohr: Wie steht er/sie zu mir? Mag er / sie mich?
Selbstkundgabe-Ohr: Wie geht es ihm? Was ist sie für eine?
Wenn unser rotes (Appell) Ohr ausgeprägter ist als die anderen Ohren, hören wir den vermeintlich an uns gerichteten Appell zuerst heraus und reagieren entsprechend : wir stehen auf und wollen das Problem sofort lösen. Dies kann z.B. bei Menschen der Fall sein, die in ihrer Kindheit/ Jugend schon früh Fürsorge für jüngere Geschwister oder ein Elternteil übernehmen mussten.
Wenn das gelbe Beziehungs-Ohr unser Lieblingsohr ist, gehen Nachrichten erstmal durch den Beziehungsfilter und stellen unsere Beziehung zum Gegenüber auf den Prüfstand: mag er/sie mich? Bin ich ihm/ihr etwas wert? Hier projiziert der Empfänger eigene Unsicherheiten und Gefühle wie z.B. Misstrauen auf das Gegenüber. Dies betrifft oft Menschen mit einem eher unsicheren Bindungsstil und geringerem Selbstwert-Gefühl.
Wenn unser grünes (Selbstkundgabe) Ohr besonders ausgeprägt ist, achten wir in jeder Aussage des Gegenübers auf dessen Befinden und Stimmung und zeigen fürsorgliches oder auch überfürsorgliches (übergriffiges) Verhalten. Dies zeichnet emphatische Menschen aus, diese Empathie kann jedoch auch übertrieben und damit überfürsorglich sein.
Ein besonders ausgeprägtes blaues Sachohr nimmt auch sehr deutlich geäußerte Gefühle und Befindlichkeiten kaum wahr und wird sich zum Ärger des Gegenübers ausschließlich auf die Sachaussage konzentrieren.
Wenn wir verstärkt darauf achten, wie wir selbst Botschaften hören und bewerten, dann kommen wir unseren bevorzugt ausgeprägten Ohren auf die Spur und können Reaktionen verzögern - und nicht gleich aufspringen und eine Lösung präsentieren, wenn jemand im Büro sagt "es müsste mal jemand...".
Fazit
Wir wissen nicht, wie im obigen Beispiel die Aussage
"Der Kaffee ist alle"
tatsächlich gemeint war.
Dazu kann Nachfragen helfen "Was meinst Du damit"? Oder "Was schlägst Du vor?".
Dieser Beitrag soll sensibilisieren, wie unterschiedlich alltägliche Botschaften gemeint sein oder verstanden werden können.
Der Empfänger hat eine Verantwortung in der Kommunikation, wie er Botschaften verpackt oder auch nicht. Und oft kommt es auf die Begleitmusik an (Mimik, Gestik, Blickkontakt).
Der Sender hat gleichermaßen Verantwortung dafür, wie er/sie Aussagen hört, filtert und bewertet.
Kommunikation kann auch mit anderen Kommunikationsmodellen z.B. dem Ich-Zustands-Konzept aus der Transaktionsanalyse reflektiert werden.
Das Kommunikationsquadrat eignet sich jedoch sehr gut für die Reflexion von Kommunikation und Konfliktgesprächen aus der Meta-Ebene und für die Selbstreflexion.
Sie haben Interesse, ihre eigenen Kommunikationsmuster zu reflektieren und zu schärfen?
Sie wollen das Kommunikationsverhalten in Ihrem Team bewusster gestalten?
Dann melden Sie sich bei mir. Ich begleite Sie und / oder Ihr Team gern.
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