Das Othello Boss Syndrom


Ich habe vor einigen Tagen einen Artikel gelesen, in welchem das Verhalten von Führungskräften beschrieben wird, die neidisch oder eifersüchtig auf ihre Mitarbeitenden sind. 

Zur verantwortungsvollen Führungsrolle gehört es, gute Mitarbeitende zu fördern und zu entwickeln und auch bei Wechsel in höhenwertige Positionen mit mehr Verantwortung loszulassen. Das erkennen nicht alle Führungskräfte als Teil ihrer Aufgabe an. Insbesondere, wenn die Führungskraft ein geringes Selbstwertgefühl hat, kann bei ihr das Gefühl entstehen, dass ein guter oder etwa besserer Mitarbeitender ihr den Rang streitig macht oder sie gar überholt. Und bei Führungskräften, die narrzistisch veranlagt sind, darf das nicht sein.

Manchmal spielt auch Antipathie eine Rolle oder Neid aufgrund von Projektion. Beim Mitarbeitenden wird unbewusst etwas bekämpft, was die Führungskraft an sich selbst nicht mag oder unterdrückt.

Das Othello Boss Syndrom beschreibt also das Phänomen, dass eine Führungskraft aus eigennützigen Motiven und Konkurrrenzdenken Untergebene sabotiert, was im schlimmsten Fall in Mobbing oder völlige "Vernichtung"  ausarten kann.  Natürlich sollte dieses Verhalten von Unternehmen (Geschäftsleitung und HR) unterbunden werden, oft wird es jedoch nicht erkannt, weil  die handelnde Führungskraft einen guten Ruf geniesst, sodass gar nicht hingeschaut wird. 


Die Othello-Konstellation

Kommt es im Berufsleben zu solch einer „Othello-Konstellation“,  führt dies auf Seiten der Führungskraft oft zu einem Machtmissbrauch. 

Für den Mitarbeitenden, das „Opfer“, bedeutet dies eine echte Zwickmühle, schließlich erschwert das Machtgefälle die eigene Verteidigung und häufig hängt der Job, das Image im Unternehmen und damit die Position dran. 

Wodurch kann sich diese Art von Neid oder Eifersucht äußern? Nachstehend einige Beispiele.

1.    Imageträchtige Zuständigkeiten werden willkürlich entzogen und auf andere Kollegen verteilt

2.    Die Führungskraft streut Gerüchte über vermeintlich "mangelnde" Leistungen oder Fehl-Verhalten, oft auch Lügen im Unternehmen, die das Image des Opfers "weiter oben" beschädigen. Manchmal werden auch Gerüchte über die vermeintliche "Haltung" des Opfers verbreitet, z. B. "ist zu dominant", "mag keine Frauen", "ist nicht kritikfähig" oder ähnliches.

3.    Es werden willkürlich Privilegien entzogen wie Firmenwagen, bisher toleriertes Späterkommen, Homeoffice
oder anderes

4.    Das Opfer wird bei Meetings und Einladungen übergangen (z.B. kein Blickkontakt, Ignorieren oder keine Einladung).

5.    Je nach Leistungsstand des Opfers kann auch verstärktes Kontrollieren ohne Fehlertoleranz einsetzen

6.  Wenn der Mitarbeitende Vorschläge macht oder zu einem Beitrag im Meeting ansetzt, wird er häufig   unterbrochen oder durch Mimik (Augenrollen, genervte Blicke, sich spürbar abwenden) abgewertet.

7. Falsche Anschuldigungen "Das Thema ist wegen xy gescheitert".

8.  Vieraugen-Gespräche werden vermieden oder wiederholt kurzfristig abgesagt und das Opfer muss sich um einen neuen Termin bemühen, was sich dann als schwierig gestaltet.

9.   Die Kommunikation oder der Kontakt mit der nächsthöheren Hierarchieebene werden 
 unterbunden, was meistens schon dadurch gelingt, dass die Imageschädigung bereits Wirkung erzielt hat und die nächsthöhere Führungsebene das "Opfer" nicht empfängt.

10. Der Mitarbeitende wird vor dem Team oder vor Kunden und Geschäftspartnern lächerlich gemacht
oder angegriffen.

11. Obwohl der Mitarbeitende Potential hat, wird er von der Be-/Förderung systematisch ausgeschlossen und Beurteilungen und Potentialaussagen werden bewusst durchschnittlich / schlechter erstellt.

 


Ein aktueller Fall

Meine Klientin K. kam mit dem Wunsch nach beruflicher Weiterentwicklung ins Coaching. Sie hatte ein selbstsicheres sympathisches Auftreten, ihr Werdegang und ihre Erfolge in ihrer derzeitigen Aufgabe hätten eine Förderung im Konzern, in welchem K. derzeit als Abteilungsleiterin arbeitete, durchaus gerechtfertigt. Sie hatte im Unternehmen neben ihrer erfolgreich ausgeübten Führungsrolle regelmäßig Projektverantwortung und war seit Jahren als Mentorin tätig. Und dennoch klappte es mit der Beförderung nicht. Sie beschrieb, dass sie in Vier-Augen-Gesprächen von ihrem Chef sehr positive Rückmeldungen und auch Boni erhielt. Immer dann, wenn ihr Chef eine/n Potentialträger*in für eine vakante Position auf seiner Ebene nennen sollte, war sie nicht dabei. 

K. hatte daraufhin ein Gespräch mit der Geschäftsleitung geführt, in welchem sie ihr Interesse an einer Weiterentwicklung bekundete. Sie bekam Erstaunliches zu hören, u.a. ihr Chef hätte gesagt, dass sie ja aufgrund ihrer familiären Situation zeitlich sehr wenig flexibel sei,  sie häufiger Konflikte in ihrem Team hätte und wenig kundenorientiert wäre.

Daraufhin kam sie ins Coaching. Die Äußerungen der Geschäftsleitung basierten auf Hörensagen. K. war verheiratet ohne Kinder, arbeitete oft länger und auch am Wochenende und hatte keine Idee, was mit ihrer vermeintlichen familiären Situation gemeint sein könnte. Sie erhielt seit Jahren TOP-Ergebnisse in den Mitarbeiterbefragungen und da ihr Team ebenfalls sehr gute Ergebnisse in verdrießlich/fachlicher Hinsicht erzielte, waren diese Behauptungen schlicht aus der Luft gegriffen. Das Ärgerliche war, dass sie bereits Wirkung im Unternehmen bezogen auf K.'s Image zeigten, denn K. wurde daraufhin von der Geschäftsleitung und HR nicht mal in Betracht gezogen. 

Da K. bei Gehaltserhöhungen auch berücksichtigt wurde und ihre Beurteilungen durchschnittlich mit positiver Tendenz aussahen, hatte sie formal keine Argumente. Sie sprach ihren Chef an, der sagte "Das muss die Geschäftsleitung verwechselt haben", und  "Was wollen Sie denn, ich behandele alle gerecht, und ich weiß doch, was ich an Ihnen habe". Insofern war es für eine Konfrontation schon zu spät, denn die Rufschädigung "K. ist gut, aber.." hatte bereits Wirkung erzielt.

Für K. war diese Erkenntnis ein Schock. Sie unterbrach das Coaching, um ihre Optionen zu durchdenken. Als sie nach 4 Monaten wieder ins Coaching einstieg, hatte sie sich entschieden, sich innerhalb des Konzerns neu zu orientieren und bei einer anderen Führungskraft neu durchzustarten. Hierbei habe ich sie begleitet. Heute nach 3 Jahren ist sie unverändert als Abteilungsleiterin tätig, erhält jedoch Unterstützung von ihrer jetzigen Führungskraft und wurde in den Potentialträger-Pool für eine Beförderung aufgenommen.


Fazit

Wenn Du erfolgreich bist und trotzdem nicht weiterkommst, achte auf Signale Deiner Führungskraft und hör Dich mal um, was über Dich erzählt wird.  Im frühen Stadium und wenn Du vorgenanntes Verhalten wahrnimmst, kannst Du Deine Führungskraft darauf ansprechen. Meistens führt dies nicht zum Erfolg, sondern Deine Führungskraft wird Dich und Deine Erfolge noch eifersüchtiger beobachten.

Ein breites hierarchieübergreifendes Netzwerk kann Dich am ehesten schützen, nämlich dadurch, dass auch andere einen Eindruck von Dir haben und "Gerüchten" und falschen Aussagen entgegentreten können.

Oft hilft es  die Führungskraft zu wechseln, manchmal auch das Unternehmen.

Du befindest Dich in einer ähnlichen Situation in Deiner Rolle / in Deinem Unternehmen oder Du bist nicht sicher, wie Du Rückmeldungen deuten sollst? Dann sprich mich an, ich begleite Dich gern bei der Klärung und Deiner weiteren Entwicklung. 

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