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Umgang mit narzisstischen Persönlichkeiten im Job


Narzissmus und narzisstische Persönlichkeitsstörung

Zunächst einmal: Jeder Mensch ist ein bisschen narzisstisch.

Die Skala bei Narzissmus reicht von gesunder Selbstliebe, die jeder Mensch für sein Wohlbefinden und die Wahrung eigener Bedürfnisse und Grenzen braucht, bis hin zur narzisstischen Persönlichkeitsstörung. Innerhalb dieser Bandbreite finden sich viele Facetten und die Skala ist fließend. 

 

Es ist normal, dass jeder Mensch den Wunsch hat, sich als etwas Besonderes zu fühlen. Sich selbst richtig gut zu finden, sich gern in der Anerkennung anderer zu sonnen und ausgeprägte Ich-Bezogenheit können nerven, müssen aber noch nicht pathologisch sein. Es gibt Menschen, die zeigen narzisstische Persönlichkeitstendenzen, ohne dass andere wesentlich darunter leiden. Dann ist das nicht angenehm, kann aber noch mit einem Augenzwinkern wahrgenommen werden und die Betreffenden sind noch zugänglich für eine Rückmeldung.
Oft leiden jedoch Bezugspersonen unter narzisstischem Verhalten und blosse Gespräche und Rückmeldungen überzeugen den Narzissten nicht, sein Verhalten zu verändern.  Dann sollte die jeweilige Bezugsperson sehen, dass sie keinen Schaden nimmt. Auch dann 
ist narzisstisches Verhalten noch nicht gleich pathologisch.

 

Die Diagnose einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung treffen Ärzte und Psychologen auf Basis festgelegter medizinischer Kriterien.  


Narzisstisches Verhalten 

Menschen mit einem narzisstischem Persönlichkeitsstil sind im beruflichen Kontext oft sehr leistungsorientiert. Sie wollen erfolgreich sein und meistens sind sie das auch!

Einerseits sind Menschen mit narzisstischen Eigenschaften sehr von ihren Fähigkeiten überzeugt und wollen dafür bewundert werden, fühlen andererseits innerlich und für andere nicht sichtbar, hohe Selbstzweifel. Eine ausgeprägte Kritik-Empfindlichkeit und innerer Widerstand gegen (gefühlte) Kontrolle durch andere können zu abwehrendem Verhalten führen.

Beziehungen gehen sie zunächst mir angezogener Handbremse bevorzugt mit Menschen ein, die für ihr eigenes Fortkommen nützlich sein können. 

Das Image von Grandiosität soll Unzulänglichkeiten überdecken und andere beeindrucken. Dabei schrecken sie zuweilen auch nicht vor Lügen und Bloßstellen vermeintlicher Konkurrenten zurück.

Menschen mit narzisstischem Persönlichkeitsstil verfügen über folgende Stärken:

 

➡️ sie zeigen hohes Engagement und sind ausgeprägt leistungsorientiert

➡️ sie entscheiden oft zügig und sind dabei auch bereit, Risiken einzugehen. Durch ihre Tendenz zur Selbstüberschätzung trauen sie sich viel zu, überblicken jedoch nicht immer alle komplexen Zusammenhänge und die Auswirkungen ihrer Entscheidungen

➡️ Ihnen sind Charme und Parkettsicherheit zu eigen, was sie zu interessanten Gesprächspartner:innen macht

➡️ sie wirken nach außen in der Regel sehr souverän

 

Wenn Menschen mit narzisstischem Verhalten wahrnehmen, dass sie eine Situation falsch eingeschätzt haben oder gescheitert sind, neigen sie dazu, z.B. in Krankheit abzutauchen und andere (Kollegen, Mitarbeitende, ihre Führungskraft) die verfahrene Situation zu lösen. Sie vermeiden dadurch ein Gefühl der Demütigung und des Versagens. Aufgrund ihres hohen Engagements nimmt ihnen dies auch zunächst niemand übel.

Bei längerer Zusammenarbeit zeigt sich jedoch ein Muster, und auf dieses empfehle ich Führungskräften zu achten.

Menschen mit mehr oder weniger ausgeprägtem narzisstischen Persönlichkeitsstil finden sich in fast allen Branchen und Berufen, bevorzugt aber dort, wo sie eine "Bühne" haben, z.B. im Vertrieb, in der Forschung, in Berufen, in denen sie sich häufig präsentieren können und natürlich auf allen Hierarchiestufen, auch und gerade in Führungspositionen.

                  


Die frühe Biografie

Wenn wir in die Biografie von Menschen mit einem narzisstischen Persönlichkeitsstil schauen, ist ihre Kindheit oft von einer Frustration des Zuwendungsmotivs gekennzeichnet.

Entweder erhielten sie von wichtigen Bezugspersonen (Eltern, Lehrer, ältere Geschwister oder Großeltern) nur wenig bedingungslose Zuwendung, mindestens aber weniger als sie gebraucht hätten. So wünschen sie sich noch heute von Bezugspersonen, die meist stellvertretend für die Elternpersonen stehen (ihre Führungskraft, der Partner / die Partnerin) positives Feedback und die Bestätigung, dass sie liebenswert und gut genug sind.

In der Kindheit erhaltene explizite und implizite Botschaften sind z.B. "Du bist nicht wichtig" , "Du genügst nicht", Du bist so wie Du bist, nicht ok", Du schaffst es nicht".  Anerkennung gab es nur für Leistung und nicht für ihr Sein.

Das Schema "Nur wenn ich Außerordentliches leiste, werde ich geliebt" setzt sich im Berufsleben fort. Der kaum zu stillende Hunger nach Anerkennung und Bestätigung von außen allerdings auch.

Gemeint sind hier nicht Berufstätige, die ehrgeizig und / oder erfolgreich sind oder es sein wollen. Wichtig bei einer Einordnung ist immer das Gesamtbild . Jeder, der mit ausgeprägt narzisstischen Kollegen/Führungskräfte zusammengearbeitet hat, spürt diesen Unterschied. 


Narzisstische Motive

Das wesentliche Beziehungsmotiv ist Anerkennung, für das was er /sie leistet, das Gefühl, liebenswert zu sein, gut auszusehen und kompetent und erfolgreich zu sein. Solange es die Nahrung Anerkennung gibt, läuft alles geschmeidig. Im beruflichen Umfeld sucht sich eine narzisstische Person diese Anerkennung von "mächtigen" Vorgesetzten, denn dann ist diese noch wertvoller. Wenn die Anerkennung ausbleibt oder bei Kritik fühlt sich die narzisstische Persönlichkeit schnell wertlos und abgewertet, was heftige negative Gefühle auslösen kann. Der Drang, diesen Hunger nach Anerkennung zu stillen, wird immer stärker.

Ein weiteres Motiv ist die Autonomie. Narzisstische Persönlichkeiten wollen selbst bestimmen und sich auf keinen Fall kontrollieren lassen. Bei Kontrolle entsteht schnell Reaktanz, die erwachsene Form von Trotz. Diese Reaktanz führt zu Widerstand und einer "Jetzt-erst-recht-Haltung". Hier ist die Führungskraft eines narzisstischen Mitarbeitenden im Dilemma:

Gewährt sie lange Leine ohne Kontrolle, fühlt dieser Mitarbeitende sich wohl. Wenn der narzisstische Mitarbeitende die lange Leine ausnutzt und seine eigenen Regeln macht, kann dies den Teamfrieden erheblich stören, so dass die Führungskraft Grenzen setzen muss.

Dies kann zu heftiger (narzisstischer) Wut führen.

Das dritte Motiv ist Solidarität ihrer Bezugspersonen. Wenn ein Mitarbeitender mit narzisstischer Ausprägung fühlt, dass die Führungskraft hinter ihm steht, fühlt er sich sicher und geborgen. Wenn die Führungskraft diese Solidarität nicht (mehr) ausstrahlt oder entzieht, fühlt ein narzisstischer Mensch sich schnell bedroht, was eine dysfunktionale emotionale Dynamik auslösen kann.

 


Woran sind Menschen mit ausgeprägtem Narzissmus zu erkennen? 

Führungskräfte sollten das Verhalten ihrer Mitarbeitenden auch in der Interaktion genau beobachten. Anzeichen können sein ( mehrere und nicht eines allein, das Gesamtbild zählt):

  • bei guter Leistung fortgesetzt übertriebene Selbstdarstellung bei gleichzeitiger
  • Abwertung anderer Personen und Leistungen
  • gering ausgeprägte bis kaum vorhandene Kritikfähigkeit (Schuld sind immer die anderen), auch bei durchaus berechtigter Kritik.
  • ganz offensichtliche Fehler können nicht zugegeben werden; Situationen, die sich auf das Image des Narzissten negativ auswirken könnten, werden vermieden (die Person wird wiederholt krank, wenn sie sich unter Druck fühlt/ wenn ein Thema droht, bei dem sie im Innen- oder Außenverhältnis ihr Gesicht verlieren könnte).
  • der Situation unangemessene, unkontrollierte starke Wutausbrüche, die sogenannte
    narzisstische Wut, aus der heraus das Gegenüber niedergemacht wird; durch diese starke Emotion Wut wird der Kratzer am Image, am eigenen Bild abgewehrt
  • stark abwertendes Verhalten von anderen im 1:1- Kontakt, aber ausgeprägte Freundlichkeit, sobald eine dritte Person / ein Zeuge dabei ist
  • eine sehr eigene eingeschränkte Wahrnehmung der Wirklichkeit
  • Manipulation anderer durch Lügen, Verdrehen der Wahrheit, Drohungen usw.
    Narzissten verhalten sich nicht empathisch, verfügen aber durchaus über Empathie, die sie  zielgerichtet zu ihrem Vorteil einsetzen: sie wissen genau, welche Knöpfe sie beim Gegenüber drücken müssen, wann sie schmeicheln, wann sie Druck aufbauen müssen. Wie es dem anderen damit geht, ist ihnen egal, solange sie ihr Ziel erreichen.
  • Ausgeprägt misstrauisches, fast an Paranoia grenzendes Verhalten gegenüber Kollegen, Führungskräften und/oder Mitarbeitenden nach geäußerter Kritik
  • Flucht in ausgeprägte Autonomie und immer stärkere Reaktanz, so dass diese Person sich Einschränkungen und Grenzen gar nicht mehr gefallen lässt.

Tipps für Führungskräfte 

  • Geben Sie ihrem Mitarbeitenden mit narzisstischer Tendenz  Anerkennung so gut es geht. Sagen Sie ihm, dass er toll ist und gute Leistungen bringt. Er weiß das zwar selbst, das Lob dient jedoch der Befriedigung seines Hungers nach Anerkennung. Bleiben Sie als Führungskraft dabei unbedingt authentisch.
  • Respektieren Sie seine Autonomie und gewähren Sie Rückhalt und psychologische Sicherheit.
  • Kritisieren sie angemessen und wenn, dann unter vier Augen.
  • Behalten Sie das gesamte Team im Auge und handeln Sie ausgewogen, auch wenn der Mitarbeitende Top-Leister ist. 
  • Langfristiges Tolerieren von Regelbrüchen und Nichteinhaltung von Absprachen kann die Teamhygiene empfindlich stören.  Hier ist es wichtig, zeitnah Grenzen zu setzen.
  • Wenn Konsequenzen erforderlich sind, agieren Sie schnell und klar.
  • Lassen Sie sich nicht auf „Spiele“ mit dem narzisstischen Mitarbeitenden ein. Sie sind kein Therapeut und werden den Kürzeren ziehen. 
  • Sprechen Sie deutliche Erwartungen aus, dokumentieren Sie diese auch schriftlich und machen Sie Ihrem narzisstischen Mitarbeitenden unmissverständlich klar, dass Sie sein Verhalten nicht dulden. 

Sofern deutliche Gespräche nicht zum erwünschten Verhalten führen, arbeiten Sie mit

personalrechtlichen Instrumenten (z.B. schriftliche Dokumentation, Ermahnung oder Abmahnung).

Da ein Mensch mit einem stark ausgeprägten narzisstischen Persönlichkeitsstil sehr geschickt darin ist, seine Lügen zu verbergen und solange im Angriffs-Modus bleibt, bis Sie ihm eine Lüge oder sein inakzeptables Verhalten unwiderlegbar nachweisen, bereiten Sie sich auf das Gespräch mit konkreten Beispielen gut vor. Dies wird den Narzissten nicht bekehren oder heilen, setzt aber Grenzen, deren Einhaltung eine weitere Zusammenarbeit zumindest für einen begrenzten Zeitraum ermöglichen kann. 

Leider bleibt zuweilen nur der Ausweg, diesen Mitarbeitenden aus dem Team oder Unternehmen heraus zu entwickeln. 

 

Insbesondere wenn Sie personalrechtliche Maßnahmen ergriffen haben, gibt es meist nur noch diesen einen Weg. Der ausgeprägte Narzisst macht sonst vor Ihnen als Führungskraft nicht Halt. Er/sie wird versuchen, Sie durch Einbeziehung Dritter und ggf. höherer Hierarchieebenen in Ihrem Ansehen zu beschädigen.  Da er/sie in der Regel Leistungsträger ist und Außenstehende oft nur dessen positives Image kennen, könnte dies im ersten Schritt sogar Erfolg haben.


Tipps für Mitarbeitende einer narzisstischen Führungskraft

 

Im Grunde gelten vergleichbare Verhaltensweisen, die je nach Ausprägung des narzisstischen Persönlichkeitsstils eine mehr oder weniger erfolgreiche Zusammenarbeit ermöglichen. 

 

  • Loben Sie Ihren Chef, bleiben Sie dabei authentisch; auch Führungskräfte werden gern gelobt; eine Führungskraft mit narzisstischem Stil wird es Ihnen besonders danken
  • Zeigen Sie ihrem Chef, dass Sie loyal sind und er Ihnen vertrauen kann
  • Wenn Sie Kritik äußern, empfehle ich, dies nie vor anderen zu tun, sondern gut vorbereitet unter vier Augen 
  • Überraschen Sie ihren Chef nicht, indem Sie Ihre guten Ideen ohne Absprache mit ihm woanders vorbringen – das findet keine Führungskraft toll, der Narzisst kann dies jedoch erst recht nicht verzeihen und ist nachtragend.
  • Durch Leistungsträger fühlt sich ein narzisstischer Vorgesetzter in seiner Großartigkeit bedroht, insbesondere, wenn die nächsthöhere Führungsebene auf diesen aufmerksam geworden ist. Hier hilft es zuweilen nur, den Bereich zu wechseln.
  • Lassen Sie kein übergriffiges Verhalten oder eine Verletzung Ihrer persönlichen Grenzen zu. Wenn der Narzisst Sie anschreit (narzisstischer Wutausbruch), brechen Sie das Gespräch ab und gehen Sie aus der Situation. Ziehen Sie einen Dritten hinzu:  z.B. dessen Vorgesetzten oder den Betriebsrat.
  • Der Chef Ihrer narzisstischen Führungskraft oder die Personalabteilung kann nur handeln, wenn sie belastbare Hinweise haben. Gehen Sie nicht allein vor, sondern gemeinsam mit Teammitgliedern. 
  • Wenn Sie wiederholt unangemessenen persönlichen Angriffen und Abwertungen ausgesetzt sind, wechseln Sie den Bereich oder das Unternehmen. Es ist verhältnismäßig schwierig, aus dem Radar einer narzisstischen Führungskraft zu gelangen und Ihre psychische Unversehrtheit sollte Ihnen wichtiger sein.

Fazit

  • Die positiven Seiten eines narzisstischen Persönlichkeitsstils liegen in der Leistungsbereitschaft, in hohem Engagement, ausgeprägter Erfolgsorientierung und ausdauernder Zielstrebigkeit, wenn es darum geht, eigene Ideen durchzusetzen. 
  • Narzissten sind selbstbewusst, parkettsicher und verhandeln meistens gut. 
  • Die negativen Seiten liegen je nach Ausprägung in der Egozentrik, dem unstillbaren Bedürfnis nach Anerkennung, der strikten Abwehr von Kritik, der Neigung zur Selbstüberschätzung, der ausgeprägten Reaktanz bei gefühlter Einschränkung verbunden mit unangemessenen narzisstischen Wutausbrüchen sowie dem Hang zur Manipulation und Lüge, um das eigene Image nach innen und außen aufrechtzuerhalten.
  •  Führungskräfte und Kollegen geben dem gemäßigten Narzissten die Anerkennung, die er braucht und tun gut daran, diesen Hunger nach Anerkennung nicht persönlich zu nehmen.
  •  Führungskräfte sind gefordert, die Teamhygiene im Auge zu behalten und sollten dem narzisstischen Verhalten bei pathologischer Ausprägung entschieden und gut vorbereitet im Interesse des Unternehmens Einhalt gebieten. 

 Original-Beitrag vom 2.3.2021, überarbeitet und ergänzt am 2.12.2024


Sie befinden sich in einer Arbeit-Situation mit einem Menschen mit narzisstischen Persönlichkeitstendenzen und wollen die Situation z.B. aus der Führungsperspektive reflektieren?

Sie arbeiten mit einer narzisstischen Führungskraft zusammen und wünschen eine Einschätzung der Situation?

Sie haben möglicherweise selbst narzisstische Tendenzen, die ihre Beziehungen und die Zusammenarbeit mit anderen beeinträchtigen?

Dann sprechen Sie mich gern auf ein Coaching an. 


Fotos auf der Seite: Pixabay.de