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New leadership oder die eierlegende Wollmichsau


Die Anforderungen an Führungskräfte sind heute vielfältig und in Teilen durchaus widersprüchlich. Der Trend zu "new Leadership" und "purpose driven leadership"  ist eine Abkehr vom herkömmlichen Bild der Führungskraft als Alleinentscheider*in, charismatischem Patriarchen und damit verbundenem kontrollbasiertem Führungsstil.

Teams sollen heute selbstorganisiert arbeiten und entscheiden. Es wird vielfach auch zwischen disziplinarischer und fachlicher Führung unterschieden.

Viele Berater und selbsternannte New Work-Spezialisten springen auf den Zug und schreiben Beiträge wie denn der neue Leader oder die neue Leaderin zu sein bzw. was er oder sie mitzubringen hat.

In einem Linked-In Beitrag habe ich folgende Aufzählung gelesen (nicht meine Aufzählung), unter denen man so ziemlich alles verstehen kann:

  • Expertise und hohe Kompetenz 
  • kein Hierarchiedenken 
  • Verständnis für gesunde Führung 
  • Selbstführung und Selbstreflexion
  • Authentizität und persönliche Integrität
  • Wertorientierung 
  • ein stärkenbasierter Führungsstil
  • Fähigkeiten, Sinn zu vermitteln
  • positives Führungsverhalten
  • Ermöglichung nachhaltiger Leistungen 
  • Fragen und Zuhören
  • Kritisches Feedback annehmen können
  • nachhaltige Führung
  • systemisches und ganzheitliches Denken
  • Strategie als Kernkompetenz
  • usw usw

Was mir immer wieder auffällt, ist, dass unterschiedliche Begriffe redundant verwendet werden und sich teilweise widersprechen. 

Kein Wunder, dass bei solchen Anforderungsprofilen die Bereitschaft, eine Führungsaufgabe zu übernehmen, in der Generation Z deutlich abnimmt. 

 


Was wirklich wichtig ist

Die Führungsrolle ist im Wandel, Führung wird heute vielfach auch geteilt, sei es in Form von Doppelspitzen oder auch durch viel stärker selbstorganisierte Teams. 

Führungskräfte von heute sollten meiner Meinung nach über folgende Fähigkeiten und Eigenschaften verfügen oder diese durch Persönlichkeitsentwicklung ausbilden:

  • ein positives Menschenbild und ausgeprägte Menschenorientierung
  • die Fähigkeiten zu Selbstreflexion und Selbstmanagement
  • Rollenbewusstheit und Rollenklarheit
  • Kommunikationsstärke in alle Richtungen, das meint zuhören und stimmig senden
  • emotionale Kompetenz: Verletzlichkeit und Nahbarkeit
  • ausgeprägte Kundenorientierung
  • Konfliktfähigkeit (Konflikte wahrnehmen, ansprechen, den eigenen Anteil erkennen, eine Lösungsfindung moderieren)
  • eine Haltung, die das Gemeinsame und weniger das Trennende in den Fokus stellt
  • die Fähigkeit und den Mut, in einem volatilen Umfeld Entscheidungen zu treffen und immer wieder neu auf den Prüfstand zu stellen
  • Führen im Sinne Menschen entwickeln, begleiten, fördern und fordern

Und auch dieser Aufzählung liesse sich noch einiges hinzufügen.


Wer sich und seine Werte kennt, kann andere besser führen

Persönlichkeitsentwicklung ist aus meiner Sicht für Führungskräfte unabdingbar.

Und Persönlichkeitsentwicklung meint hier einen längeren und durchaus begleiteten Prozess. 

Das kann parallel zur ersten oder neuen Führungsaufgabe erfolgen oder auch als Vorbereitung auf eine Aufgabe. Dies wird von den meisten Unternehmen leider
vernachlässigt bis ausgeblendet. Und nur ein Teil der Führungskräfte sieht für sich selbst Entwicklungsbedarf. Dahinter steht die Haltung "Ich kann das , ich mache einfach weiter, was ich bis hierhin gut konnte".

Es gibt Unternehmen, die ersetzen eine "alte" Führungsmannschaft durch eine "neue" und denken, mit ein paar Impulsrunden ist es das jetzt. Dabei werden die neuen Führungskräfte oft nach (neuen) Stereotypen ausgewählt.

Andere jagen eine neue Führungsmannschaft ein Jahr durch Seminare und gehen dann davon aus, dass das erforderliche Know How vorhanden ist. 


Was Dich bis hierher gebracht hat, wird Dich nicht weiterbringen

 

Menschen neigen dazu, mehr vom selben zu machen, bevor sie neue Verhaltensweisen und Strategien annehmen. Doch in der Regel bringen uns unsere bisherigen Fähigkeiten und das bisher Erlernte nicht weiter, wenn wir uns in einer neuen Rolle oder auf einer anderen Hierarchiestufe bewähren wollen. Dies gilt übrigens auch für Führungskräfte, die sich auf einer niedrigeren Hierarchiestufe wiederfinden oder in einem Projekt als Projektleitung. 

 

Die Abteilungsleiterin, die zur Bereichsleiterin befördert wurde, hatte exzellente Vertriebskompetenzen. Deshalb wurde sie befördert. Sie kannte die Kunden und die Märkte, war analytisch gut in der Lage, komplexe Sachverhalte zu verstehen und zusammenzufassen und zeigte sich durchaus freundlich und anpassungsfähig. Wenn sie allein auf diese Fähigkeiten setzen würde und sich nicht ihrer neuen Rolle und den damit verbundenen Inhalten, Anforderungen und in diesem Kontext auf- und auszubauenden Kompetenzen bewusst wäre, würde sie über kurz oder lang scheitern. Was sie bisher nicht gelernt hatte, war ihre Position gegenüber Mitstreitern und der Geschäftsführung zu vertreten, strategisch zu denken und viel stärker als bisher Konfliktmanagement zu betreiben.

Jeder, der sich in eine neue Rolle entwickelt, tut gut daran, sich selbst die Zeit für Entwicklung zu geben und dies auch von seinem Arbeitgeber einzufordern.