
2020 war bisher besonders.
Die Präsenzkultur in den Unternehmen fand ein jähes Ende. Wir blicken inzwischen auf ein dreiviertel Jahr virtuelles Arbeiten und virtuelle Führung zurück.
Vieles lief erstaunlich gut und wir haben improvisiert und sind zum Teil über uns hinausgewachsen. Persönlich, menschlich, technisch, jeder auf seine Art. Wie sind die Erfahrungen denn jetzt und wo genau sind die Spannungsfelder?
In Seminaren und im Coaching höre ich von Teilnehmern, Klienten und Kollegen folgendes:
Die Technik
Auch wenn Vieles schnell möglich gemacht wurde, fehlt es in einigen Unternehmen noch an einer für alle komfortablen technischen Ausstattung: schnelle Laptops, mobile Telefone auch für Backoffice-Funktionen, Digitalkameras, Headsets für zu Hause und letztlich auch stabile Leitungen, die ein Arbeiten bei hoher Auslastung des Unternehmens-Netzes möglich machen.
Die Handhabung der Tools wie Teams, Zoom, Webex usw. sind oft eine weitere Hürde, die es nicht nur bei den internen Online-Meetings sondern auch in beratenden Berufen gilt zu
managen.
Die Scheu vor dem fehlenden Know How in der Bedienung ist nicht zu unterschätzen.
Das Zwischenmenschliche
Wir Menschen sind gesellige Wesen und auf die Nähe und Kommunikation mit anderen angewiesen. Die digitale Distanz lässt spontane persönliche
Kontakte nicht zu und auch wenn viele Unternehmen über einen internen Chat verfügen, man sich jederzeit anrufen und Videocalls vereinbaren kann, ist es nicht dasselbe.
Emotionen bleiben zuweilen auf der Strecke, Konflikte werden in ihrer Enstehung nicht immer erkannt und auch die
Isolation ist nicht ganz zu unterschätzen. Nicht jeder ist dafür gemacht, wochenlang im Homeoffice zu arbeiten.
Der fehlende persönliche Kontakt zum Kunden ist ein weiterer Aspekt, der sich im Spannungsfeld zwischen Nähe und Distanz bewegt. Es gibt viele Kunden und Berater*innen, die es ganz wunderbar und zeitsparend finden, über ein Onlinemeeting alles Notwendige auszutauschen. Die Kehrseite ist, dass im peoples business der Kontakt über Veranstaltungen, Netzwerke, Kongresse und eben auch persönliche face-to-face-Gespräche wichtig ist für die Beziehungsebene.

Führung
Emotionale Themen sind nicht immer einfach zu managen – wichtig ist es, weiterhin Nähe aufzubauen, auch wenn es schwerfällt. Das kann auch mal über WhatsApp zu ungewohnter Zeit sein. Hauptsache die Mitarbeitenden spüren, dass ihre Führungskraft für sie präsent ist.
Die Motivation aufrecht zu erhalten und den Wandel weiter zu gestalten, ist da schon herausfordernder. Denn Homeoffice allein ist noch keine Transformation. Auf Distanz zu fördern und zu fordern ist nicht einfach und oft bleibt es beim Managen des operativen Tagesgeschäfts.
Personalfluktuation wertschätzend und kompetent zu managen, ist eine weitere Herausforderung. Wenn geschätzte langjährige Mitarbeitende das Team oder Unternehmen verlassen und keine persönliche Verabschiedung stattfinden kann, macht das nicht nur etwas mit den wechselnden Mitarbeitenden, sondern auch mit den verbleibenden. Die Einstellung und Einarbeitung neuer Mitarbeiter ist auch nicht so einfach. Auch wenn es Unternehmen gibt, die zügig ein professionelles internes Onboarding etabliert haben, gilt es auch den persönlichen zwischenmenschlichen Kontakt zum neuen Mitarbeiter aufzubauen und dessen Integration ins Team zu fördern.
Wie beende ich ein möglicherweise erfolgreiches Jahr, wenn ich bisher gemeinsame teambildende Events zum Jahresausklang als Anerkennung gefeiert habe? Wie kann ich trotzdem Anerkennung rüberbringen und Danke sagen, so, dass es ankommt?
Wie starte ich ins neue Jahr, wenn der physische Jahresauftakt jetzt auch Remote stattfinden muß? Führe ich ein zweitägiges Online-Auftaktmeeting durch oder halte ich es kurz und knackig?
Denken Sie dran: auch wenn die virtuelle Weihnachtsfeier, das virtuelle Glühwein-Trinken, das virtuelle Kekse-Backen Super ist und Team möglich macht: es sind nicht alle für virtuelles get-together gemacht. Und auch wenn der Chef oder Einzelne sich dafür total begeistern, bleiben die Bedürfnisse von ausgeprägten Nähe- und Kontaktmenschen unbefriedigt.
Mit Stressfaktoren umgehen
Die meisten meiner Klienten und Teilnehmer haben die Erfahrung machen müssen, dass Online-Meetings zwar viele auch zeitliche Vorteile haben, diese auf Dauer aber durch andere Faktoren aufgehoben werden: die Vielzahl der Online-Meetings und deren Taktung, die oft keine Pausen dazwischen lassen. Die Wegezeit und Anfahrt entfällt zwar, oft aber auch die Pausen dazwischen.
Das veränderte Pausenverhalten ist ein weiterer Stressfaktor, denn viele gehen davon aus, dass sie im Homeoffice keine / weniger Pausen benötigen. Und wenn sie gerade
eine Kaffeepause machen und das Telefon klingelt, gehen sie doch eben schnell ran, sie sind ja erreichbar oder müssen erreichbar sein.
So wird oft durch fehlende Rahmenbedingungen für die Erreichbarkeit aller ein weiteres Stressmoment gesetzt. Muss ich mich abmelden? Bei wem? Trage ich meine Pause für alle
sichtbar in meinen Onlinekalender ein? Schalte ich das Telefon aus oder bleibe ich standbye? Ab wann und wie lange?
Und dann hat jeder irgendwie noch mit seinem privaten Umfeld umzugehen. Der Partner arbeitet auch im Homeoffice – wie verteilen wir Raum und Zeit? Ist überhaupt für jeden ein geeigneter Arbeitsplatz vorhanden oder muss einer von beiden improvisieren? Wie ist das mit den Kindern? Kita und Schule ja oder nein, zu welchen Zeiten und wie wird das mit den Quarantänen geregelt, wenn es Ansteckungsfälle an der Schule gibt?
Wie gehe ich überhaupt mit eigenem Unwohlsein und dem von Familienmitgliedern um? Mit Schnupfen zur Schule oder mit Halsschmerzen anwesend im Homeoffice sein? Den Arzt aufsuchen oder erstmal abwarten?
Resilienz
Und wie bleibe ich als Führungskraft und Mensch in diesen Spannungsfeldern leistungsfähig und resilient? Wie unterstütze ich die Widerstandsfähigkeit und positive Haltung meiner Familie und meiner Mitarbeitenden?
Diese Fragen dienen als Impulse, darüber nachzudenken, was Sie in 2021 bewusster gestalten können und wollen. Wenn Sie dazu individuelle Anregungen und Sparring brauchen, sprechen Sie mich gern an:
Denn auf die meisten dieser Fragen gibt es keine allgemein gültigen Antworten, sondern oft nur individuell Zugeschnittene.
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